Ptak in Kolberg

von Jens vom Kolberg-Café

Eine E-Mail im Juni

Es war im Juni 2025, als eine E-Mail in unserem Postfach „Pling“ machte.
Absenderin: Ute.
Wir kannten sie nicht – doch was sie schrieb, berührte uns sofort.

Der Betreff lautete schlicht:

„Ein Vogel in Kolberg“

Sturm im Kurviertel

Ute war im Urlaub in einem Hotel im Kurviertel von Kolberg, an der polnischen Ostsee.
Am Wochenende zuvor hatte ein heftiger Sturm über die Küste hinweggefegt – nichts Ungewöhnliches für Kolberg, doch diesmal blieb er nicht ohne Folgen.

Nahe ihres Hotels hatte der Wind ein Vogelnest aus den Zweigen gerissen.
Drei Küken lebten darin – hilflos, schutzlos, und bald auch schutzloser noch, denn Möwen entdeckten die kleine Katastrophe und machten sich über die Nestlinge her.
Zwei von ihnen überlebten den Angriff nicht.
Eines aber schon.

Ein einsames Küken

Das kleine überlebende Küken saß, wie Ute berichtete, am nächsten Morgen direkt vor dem Hoteleingang – durchnässt, zitternd, und offenbar allein.
Jemand setzte es in eine kleine Birke in der Nähe. Ute fragte an der Hotelrezeption, ob es in Kolberg eine Stelle für verletzte oder verwaiste Vögel gebe. Doch eine solche gab es dort nicht.

Zunächst schien das Küken von seinen Eltern ignoriert zu werden.
Dann, mit etwas Glück und Geduld, sah Ute, dass einer der Elternvögel ab und zu zurückkehrte und fütterte.

Ptak

Ute ließ die Sache nicht auf sich beruhen.
Sie ging in ein Zoogeschäft in Kolberg und fragte, wie sie helfen könne.
Die Empfehlung lautete: frische Mehlwürmer.
Dazu ein wenig Heidelbeeren, Apfel, Nektarine – und etwas Korallenkalk über die Würmer gestäubt.

Der kleine Vogel bekam bald einen Namen: Ptak – das polnische Wort für „Vogel“.
Auch andere Hotelgäste nannten ihn so.

Frühstück um fünf

Während ihres Urlaubs entwickelte sich eine stille Routine.
Ute stand oft schon vor fünf Uhr morgens auf, um Ptak das erste Frühstück zu bringen.
Manchmal wartete er schon hungrig.
Manchmal blieb er einfach sitzen, die Augen geschlossen, der Schnabel fest verschlossen – satt, zufrieden, offenbar gerade von einem Elternvogel gefüttert.

So vergingen einige Tage.
Ute sah, wie Ptak wuchs – und wie er, trotz aller Widrigkeiten, kräftiger wurde.
Andere Gäste meinten, das Küken würde wohl ohnehin nicht überleben.
Doch Ute hörte nicht darauf.
Für sie war Ptak ein kleiner „angry bird“ in lieb.

Der erste Flug

Dann kam die Nachricht, die uns alle lächeln ließ.
Ute schrieb:

„Heute ist Ptak das erste Mal geflogen – vom Ast direkt in meine nicht aufgesetzte Kapuze. Er saß darin wie in einem Nest.“

Sie ging vorsichtig in Richtung der Elternvögel.
Man hörte, wie sie sich gegenseitig riefen – ein ergreifendes Schauspiel.

„Der erwachsene Vogel erkennt sein Küken“,
schrieb Ute fasziniert.

Ein Vogel auf eigenen Flügeln

Ute schickte uns ein Foto:
Ein dunkler Vogel, größer als eine Taube, fast so groß wie eine Möwe – vielleicht ein junger Rabe.

Da ihr Urlaub bald enden würde, fragte sie, ob es in Kolberg oder Umgebung Hilfe für solche Tiere gäbe.
Wir recherchierten Adressen und versuchten, die Art zu bestimmen.
Doch das Schönste kam zum Schluss:

Ute berichtete kurz vor ihrer Rückreise, dass sie Ptak am Strand gesehen hatte –
gemeinsam mit Artgenossen, flatternd zwischen Strandgut und Touristen, selbstständig, lebendig, frei.

Nicht ganz artgerecht, gewiss –
aber doch ein kleiner Beweis, dass Mitgefühl manchmal Flügel verleiht.

Kommentare

Kommentar von Claudia |

Eine richtig schöne Geschichte, die ans Herz geht. Meiner Meinung nach handelt es sich um eine Dohle. Diese sind in Kolberg recht häufig.

Kommentar von Ute |

Danke für das Aufschreiben der Geschichte mit Ptak. Er war der erste Jungvogel den ich aufgezogen habe. Die ersten Tage kamen die Eltern nicht weil sie selber anscheinend durch den Kampf gegen die Möven verletzt waren. Ptak konnte erstaunlich laut rufen. Da brauchte ich keinen Wecker mehr stellen. Die Dohlen Eltern störte es nicht wenn ich fütterte. Mehlwürmer kommen nicht als natürliche Nahrung vor aber sicherten das Überleben. Die Dohlen fressen aber auch was die Touristen fallen lassen. Dohlen erkennt man an den blauen Augen. Manche Hotelgäste kritisierten:" Sie können doch nicht die ganze Welt retten. " Nein, aber ich kann die Welt von diesem einen Vogel und dessen Eltern retten. Noch etwas was ich gelernt habe : Nie Wasser in einen Vogelschnabel geben weil die Öffnung der Luftröhre im Schnabel ist. Wasser bekommen Vögel mit der Nahrung und nur wenn das nicht reicht, trinken Vögel. Jungvögel können auch an falschem Futter sterben, deswegen ist es wichtig zu wissen was für ein Vogel es ist. Dohle wusste zunächst niemand ( das Foto ist 2 Tage nachdem schon Mehlwürmer gefüttert wurden). Aber es war klar dass es eine Art der Rabenvögel ist und die werden alle gleich gefüttert. Vielleicht kümmern sich Vogel Liebhaber in Kolberg demnächst um Vögel in Not aufgrund dieser Geschichte? Polnische Naturschutz kümmert sich nur um Jungvögel "wertvoller bedrohter Arten " weil in allen Ländern gespart werden muss. Ich wollte nicht Ptak ,einige Meter von meinem Hotelfenster weg, beim verhungern zuschauen. Einige Kinder freuten sich sehr über Ptak. Das war in Kolberger Deep.

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