Problem & Lösung

  • Das Meer trug immer wieder Sand ab - der Strand wurde schmaler
  • Ein Großprojekt (etwa 90 Millionen Zloty) sorgte für Besserung
  • Mehrere Maßnahmen in Kombination verhindern den Sandschwund
  • Es wurde dabei auch Sand aufgeschüttet, damit der Strand wieder breit ist
  • Funde aus dem 2.Weltkrieg machten das Projekt kompliziert
  • Es erfolgen immer wieder kleinere Maßnahmen zum Küstenschutz

Wie an vielen Küsten gibt es auch in Kolberg (Kołobrzeg) ein Problem: Das Land verschwindet im Meer. Zumindest, wenn nichts dagegen unternommen wird. Besonders bei Stürmen werden ohne Küstenschutz-Maßnahmen ganze Meter an Land vom Meer verschluckt: Der Sand wird abgetragen, das Land erodiert.

So verlor Kolberg in den vergangenen Jahrzehnten immer ein Stückchen mehr vom breiten Sandstrand. An einigen Strandabschnitten des so genannten Hauptstrandes war oft nicht einmal mehr genug Platz, um am Strand spazierenzugehen. Strandspaziergängerinnen und -gänger mussten auf den Deich oder in die Dünen ausweichen. Auch Gebäude - zum Beispiel die historische Schanze - waren bedroht.

Lediglich Sand aufzuschütten, um den Strand zu sichern, hat sich als nicht langfristig haltbar erwiesen.

Daher entschloss man sich in Kolberg zu einem aufwändigeren Küstenschutzprojekt, das teurer - aber auch langfristiger ist. Aus ökologischen Gründen gab es keine Einwände, die die Vorteile ausgeglichen hätten.

Bagger am Strand in Kolobrzeg - Kolberg. Foto: Kolberg-Café
2011: Vor den Bauarbeiten am Strand

Schon immer werden Sand und Erde durch das Meer von der Küste weggespült. Diese Erosion geschieht besonders bei Stürmen und an windigen Tagen, wenn das Wasser Sand und Erde vom Ufer mit sich zieht und später nicht wieder an gleicher Stelle anspült. Aber auch der normale Wellengang nimmt immer ein wenig Sand mit, der leider nicht wieder aufgespült wird.

In früheren Jahren, insbesondere zwischen 1982 und 1997, hat man immer wieder Sand auf den Strand aufgeschüttet. Mit dem Ergebnis, dass dieser ruckzuck auch wieder weg war - eine langfristig haltbare Lösung war das nicht.

Mit dem Problem haben auch andere prominente Küstenorte und Inseln zu kämpfen. Bekanntestes Beispiel in Deutschland ist wohl die Insel Sylt. Auf Sylt etwa vollführt man alljährlich das gleiche Schauspiel, das man in Kolberg früher auch gelegentlich absolvierte: Saugschiffe holten Sand vom Meeresboden und lieferten diesen am Strand wieder ab. Dort rollten dann große Bagger auf und verteilten den Sand auf den Strand und die Dünen.

Es geht dabei also weniger um die Verbreiterung des Strandes, als um die langfristige Sicherung der Küste.

Daher trägt die Strandverbreiterung - die natürlich auch den Touristen und und Hoteliers gefällt - eher als Mittel zum Zweck zur Sicherung der Küstenlinie bei.

Küstenschutz-Infotafel in Kolobrzeg - Kolberg. Foto: Kolberg-Café
Infotafel zum Küstenschutz

Viele Jahren plante man das Küstenschutzprojekt, das tatsächlich im Jahre 2010 begonnen und desse größter Teil bis 2014 abgeschlossen wurde. Das Projekt bezieht sich auf die Strecke von Küstenkilometer 330,4 bis 333,4.

Die drei Kilometer Strand sind der wichtigste Strandabschnitt für den Urlaubsort Kolberg. Dieser Hauptstrand ist von den meisten Hotels sofort erreichbar und entsprechend beliebt. 2011 fanden die umfangreichsten Arbeiten statt. Seit 2014 ist von den Küstenschutzmaßnahmen kaum mehr öffentlich etwas zu sehen.

Vier Bausteine machen die Küstenschutz-Maßnahmen aus

Maßnahme 1: 35 Buhnen, also Reihen von Holzpfeilern, die senkrecht zum Strand verlaufen, wurden errichtet. Diese dienen dem Abschwächen und dem Brechen des Wellenganges. Jede Buhne ist zwischen 90 und 110 Metern lang und zwischen 4 und 10 Metern hoch. Der letzte Buhnen-Abschnitt beinhaltet einen 12,5 Meter hohen schützenden Wellenbrecherteil. Ein Pfahl einer Buhne hat einen Durchmesser von 30 bis 45 Zentimetern.

Maßnahme 2: Aufschüttung von Sand auf einem etwa einen Kilometer langen Strandabschnitt, an dem kaum noch Sandstrand war. Betroffen war der Abschnitt vor der Schanze am östlichen Teil des Strandes. Der hier benötigte Sand wurde bei der Vertiefung der Hafeneinfahrt entnommen und zum Strand transportiert. Außerdem wurde er auch vom weiter meerwärts liegenden Meeresboden entnommen und aufgeschüttet. Die Verteilung am Strand erfolgte mit Baggern. Es wurden 600.000 bis 700.000 Kubikmeter Sand transportiert!

Maßnahme 3: Ein Steinsockel wurde den Buhnen vorgelagert durchgängig am Meeresboden aufgeschüttet. Etwa 100 bis 200 Meter vom Strand, parallel zur Küstenlinie, wurde auf den drei Kiometern (in 12 Teilen) ein niedriger Steinsockel mit rund 6 Metern Breite zum Abschwächen des Wellengangs errichtet. Dieser hält beim Zurückfließen des Wassers auch den mitschwimmenden Sand auf und sorgt dafür, dass der Sand am Strand bleibt. Funktional wirken Buhnen und Steinsockel zusammen auf das gleiche Ziel: Abschwächen des Wellenschlags und Sichern vor dem Abfließen von Sand. Der Steinsockel ist auch der Grund, warum man nicht so weit herausschwimmen kann - man könnte sich an diesen Steinen verletzen.

Maßnahme 4: Die bestehenden Schutzvorrichtungen, der Deich (auf dem die Promenade meistenteils verläuft) und die davor liegenden Steinwälle (unter anderem die sternförmigen Betonblöcke) wurden überprüft und teilweise erneuert. Später werden nach und nach auch im östlich von Kołobrzeg gelegenen Naturschutzgebiet der Küstenstreifen mit Steinen abgesichert.

Ziel aller Maßnahmen sind die Stabilisierung des Strandes - auch des aufgeschütteten Strandes - und der Küstenlinie. Dazu wird darauf gesetzt, dass die Maßnahmen dazu führen, dass unterm Strich mindestens genau so viel Sand angeschwemmt wie weggeschwemmt wird; am besten soll sogar mehr Sand verbleiben, als weggeschwemmt wird. So würde der Strand sukzessive etwas breiter und damit die Küste gesichert.

Das Seeamt ist zu solchen Maßnahmen verpflichtet, um die Küstenlinie zu schützen. Besonders bei Stürmen soll mit den geplanten Maßnahmen eine höhere Sicherheit für das Festland erreicht werden. Da besonders in Kołobrzeg der Unterschied zwischen minimalem und maximalem Wasserstand sehr hoch ist, gilt die Maßnahme als besonders wichtig. Es gab bereits häufiger Fälle, in denen bei Sturm Wasser in das Landesinnere eingedrungen ist und die bestehende Befestigung einfach nicht ausreichte.

Finanzierung des Küstenschutz-Vorhabens: Rund 90 Millionen Zloty für die gesamten Küstenschutzmaßnahmen werden als mögliche Kosten genannt. Finanziert wurde das Projekt sowohl aus polnischen als auch aus EU-Mitteln (Strukturfonds, Operationelles Programm Infrastruktur und Umwelt) mit dem Ziel, sowohl die Umwelt zu schützen als auch die Infrastruktur zu verbessern.

Böse Überraschung: Blindgänger, Munitionsreste

Strandbauarbeiten bei Kolobrzeg - Kolberg. Foto: Kolberg-Café
Bauarbeiten und Absicherungsarbeiten 2011

Als im Jahr 2010 mit den Bauarbeiten begonnen wurde, mussten die Bautrupps schnell wieder aufhören: Es zeigte sich, dass beim Graben und Buddeln immer wieder Munitionsreste und sogar Blindgänger unter dem Sand gefunden wurden. Kein Wunder, bei Kołobrzegs Geschichte. Die Baufirma, die mit den Küstenschutzarbeiten betraut war, setzte zunächst einmal aus, und eine private Räumungsfirma rückte an. Diese machte offenbar einen guten Job, fand aber so viele zu räumende Dinge, dass die Maßnahmen für die Stadt zu teuer wurde.

Stattdessen rief man Anfang 2011 das polnische Militär zu Hilfe: Die polnischen Soldaten räumten nun im Rahmen einer Art 'militärische Übung' den Strand sorgfältig weiter und schafften es sogar, bis zur Sommersaison 2011 (17. Juni 2011) fertig zu sein. Lediglich die weiter im Meer liegenden (von Schwimmern nicht mehr erreichbaren) Regionen wurden erst während und nach der Sommersaison in Angriff genommen. Somit sind nun 5 Kilometer Strand bis in 2 Meter Tiefe sorgfältig untersucht und geräumt worden; insgesamt 121 Teile (Munitionsreste, Blindgänger, Waffenteile) wurden gefunden.

Naturschutz und Eingriff in die Natur

Die Küstenschutzmaßnahme ist ein Eingriff in die Natur, allerdings kein neuer: Schon immer greift der Mensch in Bezug auf die Küstenlinien ein und versucht, diese abzusichern. Das und die Art und Weise des Vorgehens sind wohl der Grund, warum Umweltschutzverbände im hier gewählten Vorgehen keine grundsätzlichen Probleme sehen. Auch in anderen Orten - genannt sei etwa die Insel Sylt - wird Sand am Strand aufgeschüttet.

In Kołobrzeg werden zusätzlich die bereits bestehenden Buhnen (Wellenbrecher aus Holz) erneuert und erweitert. Dazu kommt eine neue Steinschicht als unterseeischer Wellenbrecher, den Buhnen vorgelagert. Die Schutzmechanismen am Strand, die aufgestapelten Steine und Betonelemente, werden ebenfalls erneuert und teilweise ergänzt. Am ehesten lässt sich die Ausbaggerung der Hafeneinfahrt aus ökologischen Gesichtspunkten kritisieren. Zumindest ist das das Ergebnis, wenn man Stellungnahmen von Umweltschutzverbänden zu ähnlichen Projekten betrachtet. Auch in Kołobrzeg haben Umweltverbände keine grundsätzlich kritische Stellung zum Vorhaben bezogen.

Insgesamt ist der Eingriff tatsächlich eher nachhaltig angelegt, indem man darauf setzt, dass sich der Strand gewissermaßen 'selbstständig' wieder erweitert und sichert, indem das Abfließen von Sand verhindert wird. Es wird also auf eine Art 'Selbstheilung' zum Schutz der Küstenlinie gesetzt. Damit bewegt sich das Projekt in einem Spannungsfeld zwischen Küsten- und Naturschutz.

Küstenschutzmaßnahmen bieten auch Touristen Vorteile: Mehr Strand

Nicht außer acht gelassen werden kann natürlich, dass das Ergebnis - die Sicherung und sogar langsame Verbreiterung des Strandes - auch touristischen und damit kommerziellen Zielen entspricht. Uns scheint es nach Durchsicht der Sachlage, als sei in diesem Fall eine Win-Win-Situation erreicht worden, bei dem sowohl Tourismus wie auch Naturschutz gut damit leben können. Wenn auch vielleicht die Hoteliers eine drastischere Vorgehensweise mit einer großflächigeren Sandaufschüttung noch lieber gesehen hätten, und die Vertreter der Umweltverbände wohl auf den Sandtransfer auch gern ganz verzichtet hätten. Für uns sieht das Ganze nach einem guten Kompromiss, aus, der für alle vertretbare und erstrebenswerte Ergebnisse bringt.